Wollte sie Schönbohm abservieren? Durch zwei Seiten langen Brief erhärtet sich böser Verdacht gegen Faeser

FOCUS-online-Reporter Axel Spilcker

Dienstag, 26.09.2023, 17:40

Zweieinhalb Jahre ist es her, da wurde Ex-BSI-Präsident Arne Schönbohm noch für seine Arbeit gelobt. Der Brief, der FOCUS online vorliegt, bringt Bundesinnenministerin Nancy Faeser erneut in Erklärungsnöte.

Kay Nietfeld/dpa Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Plenum des Bundestags.

Das Jahr 2021 begann für Arne Schönbohm, seinerzeit Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), mit einer Lobeshymne.

Innenstaatssekretär Markus Richter, seit acht Monaten im Amt und IT-Beauftragter der Bundesregierung, bedankte sich am 28. Januar überschwänglich bei dem Cyberabwehrchef für "die Unterstützung und hochkompetente Zusammenarbeit".

Richter begrüßte den "maßgeblichen Beitrag, der mir die Einarbeitung erleichtert hat". Geradezu euphorisch hob der führende Beamte unter dem damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) "die herausragende Expertise, Ihr unermüdliches Engagement und die offene Kommunikation" hervor.

Der CDU-Staatsekretär lobte Schönbohm über den grünen Klee. Schwer beeindruckt zeigte sich Richter, "wie es Ihnen persönlich und Ihrem Team in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie gelungen ist, alle Herausforderungen rund um das Thema IT-Sicherheit nicht nur zu meistern, sondern auch nachhaltige Lösungen zu implementieren".

Zweiseitiger Brief bringt Faeser in Erklärungsnot

So sei es gelungen, massive Angriffe abzuwehren, "die Sensibilität für die Themen in der Öffentlichkeit zu erhöhen und neue Produkte sowie Prozesse einzuführen. Fazit: "Ihre Arbeit legt die Grundlage für die Weiterentwicklung der Sicherheitsarchitektur auch in der kommenden Legislaturperiode", heißt es in dem Schreiben, das FOCUS online vorliegt. Die "Bild"-Zeitung hatte zuerst darüber berichtet.

Der zweiseitige Brief bringt Bundesinnenministerin Nancy Faeser erneut in Erklärungsnöte. Schließlich behauptet die SPD-Politikerin, dass bereits ihre Vorgänger Thomas De Maiziere (CDU) und sein Nachfolger Seehofer die Amtsführung des damaligen BSI-Präsidenten beanstandet hätten.

Das Dankesschreiben aus der Ära Seehofer schürt Zweifel an dieser Aussage. Vielmehr erhärtet sich der Verdacht, dass die Nachfolgerin der Unions-Politiker den missliebigen Behördenleiter unter fadenscheinigen Gründen abservieren wollte.

Denn gut anderthalb Jahre nach der Dankesarie fiel Schönbohm plötzlich in Ungnade. Die Ampel-Koalition hatte die Macht übernommen und mit ihr eine neue Bundesinnenministerin: Nancy Faeser. Bereits seit dem Sommer 2022 soll die SPD-Politikerin die Ablösung des BSI-Präsidenten betrieben haben. Als einer der Erfüllungsgehilfen agierte offenbar IT-Staatssekretär Richter.

Schönbohm sollte sich innerhalb von drei Tagen entscheiden

Der promovierte Jurist legte Schönbohm am 14. Oktober die Ablösung vom BSI-Chefposten nahe, "um die Lage zu beruhigen". Zugleich offerierte Richter dem Behördenleiter einen Wechsel auf den Chefposten der unbedeutenden Bundesakademie für öffentliche Verwaltung in Brühl.

Für diesen Fall sollte eigens das Gehalt von B6 (10.600 Euro) auf B8 (11.700 Euro) erhöht werden, damit der Beamte Schönbohm auf das gleiche Gehalt kam wie bisher im BSI. Richter, einst so voller Lobes, ließ dem Cyber-Abwehrchef so gut wie keine Wahl.

Binnen drei Tagen sollte sich Schönbohm entscheiden. Auf die Frage nach konkreten Vorwürfen verwies der Staatssekretär lapidar auf "die Medienberichterstattung und Hinweisen aus dem Parlament". Auch machte er klar, dass einzig Ministerin Faeser sowie einer ihrer Büromitarbeiter eingeweiht seien.

Mit der Medienberichterstattung meinte der Staatssekretär den TV-Moderator Jan Böhmermann. Der Satiriker hatte sieben Tage zuvor in seiner Sendung "ZDF Magazin Royale" den BSI-Chef als Cyber-Clown diffamiert.

Ferner unterstellte er Schönbohm mittelbar Kontakte zu russischen Geheimdiensten über den von ihm mitgegründeten Verein "Cybersicherheitsrat Deutschland". Zeitnah stellte sich heraus, dass die Böhmermann-Story falsch war.

Dankesschreiben strotzt vor Lobhudeleien

Dies ergab bereits eine frühe Abfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Doch Faeser & Co. reichte die Russen-Mär nebst sechs weiteren fadenscheinigen Vorwürfen, die bereits vier Monate zuvor zusammengetragen wurden, um den missliebigen Behördenleiter zu entfernen.

Seither gerät die Innenministerin in Erklärungsnöte. Zunächst einmal hatte sie behauptet, die Böhmermann-Geschichte sei nicht der Beweggrund gewesen. Vielmehr habe ein genereller Vertrauensverlust eine Rolle gespielt. Worin der bestand, hat die Sozialdemokratin nicht ausgeführt. Auch für die angeblichen Beanstandungen ihrer Amtsvorgänger findet sich bisher kein Beleg.

Vielmehr strotzt das Dankesschreiben vom Januar 2021 an Schönbohm unter der Ägide Seehofers vor Lobhudeleien. Die Mitteilung anderthalb Jahre vor seiner Ablösung endete mit folgenden Worten: Die neue IT-Sicherheitsnovelle 2.0, die sich derzeit im Gesetzgebungsprozess befinde, sehe für die Cyber-Abwehrbehörde erweiterte Zuständigkeiten samt neuen Aufgabenbereichen für das BSI vor, resümierte der Innenstaatssekretär Richter.

"Ich bin sicher, dass die Fortentwicklung fachlich geboten ist und bei Ihnen in den besten Händen liegt." Richter freute sich den auch auf eine weitere Zusammenarbeit: "Es gilt die Digitalisierung in Deutschland weiter voranzutreiben und gleichzeitig den damit verbundenen, erhöhten Anforderungen an die IT-Sicherheit Rechnung zu tragen. Das tun Sie mit ihrer Arbeit und Ihrem Team in beispielgebender Art und Weise. Herzlichen Dank."

Plötzlich galt Schönbohm als unfähiger Amtsleiter

Knapp 18 Monate später war davon keine Rede mehr. Schönbohm fiel beim Bundesinnenministerium (BMI) in Ungnade. Plötzlich galt er als unfähiger Amtsleiter und wurde kaltgestellt.

"Der Verlust des Vertrauens in die Eignung von Herrn Schönbohm für die Leitung des BSI beruhte insbesondere auf der fachlichen Einschätzung des zuständigen Staatssekretärs Dr. Richter", teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit.

"Es bestanden gravierende fachliche Differenzen zwischen dem Leiter des BSI und dem BMI hinsichtlich von Fragen der Bewertung der Gefahr durch Cyberangriffe im Zuge der russischen Aggression". Davon ist aber in der Verbotsverfügung zur Ausübung Dienstgeschäfte vom 18. Oktober 2022 nicht die Rede.

Zudem habe es bereits deutlich vor dem Amtsantritt von Bundesministerin Faeser Beanstandungen der Fachaufsicht hinsichtlich der Amtsausübung durch Herrn Schönbohm gegeben, heißt es weiter in der Antwort.

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"Regelmäßige Differenzen zwischen dem BMI und Herrn Schönbohm"

"Es traten regelmäßige Differenzen zwischen dem BMI und Herrn Schönbohm auf. Es ging um verschiedene Punkte, darunter mangelnde politische Sensibilität in der Außenkommunikation des BSI, unzureichende Kooperation mit dem BMI als Fachaufsicht und falsche fachliche Schwerpunktsetzung des BSI.

Die Kritik war auch Gegenstand in Gesprächen von Staatssekretär Dr. Richter mit Herrn Schönbohm." Komischerweise steht davon nichts im Einstellungsbeschluss an den abgelösten Cyber-Abwehrchef. Am 28. April wurde Schönbohm komplett rehabilitiert. Alle Vorwürfe erwiesen sich als haltlos.

Zu Guter Letzt deklarierte Faesers Sprecherin die Belobigung Schönbohms anderthalb Jahre vor seinen Rauswurf als "ein gewöhnliches Schreiben zum Dank zum Jahreswechsel, wie es in ähnlicher Form auch andere Behördenleitungen erhielten".


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